Unternehmensnachfolge: „Geben Sie sich min­des­tens fünf Jahre Zeit!“

Kreissparkasse Euskirchen und Bundesverband mit­tel­stän­di­sche Wirtschaft luden zum ers­ten Kompetenzforum Mittelstand ein – Notfallplan, mög­li­che Förderprogramme und die Tücken des deut­schen Erbrechts

KSK-Vorstandsmitglied Holger Glück (2.v.l.) und BVMW-Verbandsbeauftragter Dr. Alois Kreins (2.v.r) begrüßten beim ersten Kompetenzforum Mittelstand die Referenten Thorsten Kramer (v.l.) (DekaBank), Claudia Brendt (NRW.Bank) und Frank Dickmann (dhpg). Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Beim ers­ten Kompetenzforum Mittelstand ging es um Unternehmensnachfolge. Bild: Eifeler Presse Agentur/epa

Euskirchen – Im stres­si­gen Alltagsleben eines Unternehmers ist für das Thema „Unternehmensnachfolge“ oft kei­ne Zeit. Jahr um Jahr drückt man sich gern davor, die­se wich­ti­ge Angelegenheit ent­schie­den anzu­ge­hen. Allein im Bundesland Nordrhein-Westfalen müs­sen sich bis 2022 ca. 32.300 Familienunternehmen um eine Nachfolge küm­mern. Gut die Hälfte der Übernahmen wird fami­li­en­in­tern erfol­gen. Bei den rest­li­chen 50 Prozent wird die Übernahme vor­aus­sicht­lich zu 18 Prozent durch Mitarbeiter statt­fin­den. Und in 29 Prozent der Fälle wird es zu einem Verkauf des Unternehmens an Dritte kommen.

Um Unternehmer im Kreis Euskirchen für die­ses wich­ti­ge Thema zu sen­si­bi­li­sie­ren, sie zu infor­mie­ren und bei der Unternehmensnachfolge adäquat zu beglei­ten, hat die Kreissparkasse Euskirchen (KSK) gemein­sam mit dem Bundesverband mit­tel­stän­di­sche Wirtschaft (BVMW) das „Kompetenzforum Mittelstand“ ins Leben geru­fen. Der BVMW, so berich­te­te der Verbandsbeauftragte Dr. Alois Kreins, der unter ande­rem für die Wirtschaftsregion Euskirchen zustän­dig ist, sei die größ­te, frei­wil­lig orga­ni­sier­te und bran­chen­über­grei­fen­de Interessenvereinigung des deut­schen Mittelstandes, der die Interessen von 25 Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden mit mehr als 550 000 Mitgliedern ver­tre­te, die allein über elf Millionen Mitarbeiter beschäftigten.

Jetzt fand im S‑Forum der KSK eine ers­te Veranstaltung die­ses neu­en Formates statt. Gut 50 inter­es­sier­te Teilnehmer lie­ßen sich in meh­re­ren Fachvorträgen von der Wichtigkeit einer gere­gel­ten Unternehmensnachfolge überzeugen.

KSK-Vorstandsmitglied Holger Glück machte den Anwesenden klar, wie wichtig es ist, die Unternehmensnachfolge frühzeitig zu planen. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
KSK-Vorstandsmitglied Holger Glück mach­te den Anwesenden klar, wie wich­tig es ist, die Unternehmensnachfolge früh­zei­tig zu pla­nen. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

KSK-Vorstandsmitglied Holger Glück beton­te, dass das Kompetenzforum kei­ne Eintagsfliege sei, son­dern regel­mä­ßig statt­fin­den sol­le, ähn­lich dem erfolg­rei­chen Unternehmerfrühstück „vier­tel­vor­acht“, das die KSK bereits vor Jahren gemein­sam mit der Kreiswirtschaftsförderung ins Leben geru­fen habe. Anhand der Geschichte des Uhrenfabrikanten Moritz Grossmann aus Glashütte in Sachsen zeig­te Glück sodann, wie ein flo­rie­ren­des Unternehmen, von dem einst eine gan­ze Region pro­fi­tier­te, auf­grund eines nicht vor­han­de­nen Nachfolgeplans nach dem plötz­lich Tod des Unternehmensleiters 1885 abge­wi­ckelt und auf­ge­löst wurde.

„Ich glau­be, dass sich auch hier im Kreis Euskirchen noch nicht jeder Unternehmer aus­rei­chend mit dem Thema Nachfolge oder Notfallplan befasst hat“, so Glück. „Damit Ihr Lebenswerk erhal­ten bleibt, wol­len wir Sie bei die­sem kom­ple­xen Thema unter­stüt­zen.“ Unternehmensnachfolgen schei­ter­ten oft, weil man die Komplexität des Themas unter­schätzt habe. Glück emp­fahl, sich für eine Nachfolge min­des­tens fünf Jahre Zeit zu neh­men. Auch der Nachfolger, der viel Geld und Zeit in eine Übernahme inves­tie­re, müs­se sich vie­le Fragen stel­len, damit es kein böses Erwachen gebe.

„Um Ihr Unternehmen zu sichern, ist es nötig, eine detail­lier­te Notfallplanung zu erstel­len. Stichworte sind hier die Stellvertretung zu regeln, Kontovollmachten ein­zu­räu­men, aber auch sol­che Dinge wie Passwörter, Codes, wich­ti­ge Verträge und Versicherungsunterlagen für die Vertreter bereit­zu­stel­len“, so Glück. Die KSK unter­stützt dies durch einen Notfallordner und ein „Alles geregelt-Buch“.

Dr. Alois Kreins vertrat den Bundeverband mittelständische Wirtschaft (BVMW). Gemeinsam mit der KSK möchte der BVMW im „Kompetenzforum Mittelstand“ in Zukunft Unternehmer zu wichtigen Themen informieren. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Dr. Alois Kreins ver­trat den Bundeverband mit­tel­stän­di­sche Wirtschaft (BVMW). Gemeinsam mit der KSK möch­te der BVMW im „Kompetenzforum Mittelstand“ in Zukunft Unternehmer zu wich­ti­gen Themen infor­mie­ren. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

Diese Unterlagen machen jedoch einen detail­lier­ten Beratungsprozess nicht über­flüs­sig. „Eine solch kom­ple­xe Nachfolgeberatung kann natür­lich nur in enger Abstimmung mit Ihrem recht­li­chen und steu­er­li­chen Berater erfol­gen und bei Bedarf mit Spezialisten aus unse­rem Verbund oder Netzwerk“, so Glück.

Da ist zum Beispiel die DekaBank. Thorsten Kramer, der dort seit 2015 das Finanzmanagement lei­tet, erklär­te den Zuhörern in sei­nem Referat, was bei einer Unternehmensnachfolge in der Privatbilanz gesche­hen kann. Dazu hat­te er einen anony­mi­sier­ten Praxisfall mit­ge­bracht: Ein klas­si­sches Ehegattentestament mit Gemeinschaftskonto und Gütertrennung sowie zwei Kindern, die als Nachfolger vor­ge­se­hen waren, dien­te als Ausgangszenario. Doch wur­de die Rechnung ohne das drit­te Kind, einem Philosophiestudenten gemacht. Der klag­te auf sei­nen Pflichtteil, bekam Recht und mehr Geld zuge­stan­den als über­haupt flüs­sig war, so dass Teile des Unternehmens ver­kauft wer­den muss­ten. Und so nahm das Verhängnis dann sei­nen Lauf, oder wie Thorsten Kramer es aus­drück­te: „Vermögensverzehr durch zuneh­men­de Liquiditätsunterdeckung“, ein Zustand, der im wei­te­ren Verlauf des Unternehmens zum Verkauf von eini­gen Immobilien führ­te und irgend­wann im Alter sogar das eige­ne Häuschen der Unternehmensnachfolger in Gefahr brin­gen könnte.

„Unternehmer“, so die Quintessenz des Vortrags, „brau­chen nicht irgend­ein Testament, son­dern ein pas­sen­des und maß­ge­schnei­der­tes Testament.“ Kramer emp­fahl daher, das per­sön­li­che Kompetenz- und Expertenteam zu kon­sul­tie­ren, bestehend aus KSK, Steuerberater und einem Fachanwalt für Erbrecht. „Und fan­gen Sie recht­zei­tig damit an, das ist das A und O.“

Claudia Brendt, Direktorin der NRW.Bank, informierte über Fördermöglichkeiten. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Claudia Brendt, Direktorin der NRW.Bank, infor­mier­te über Fördermöglichkeiten. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

Über die Finanzierungs- und Förderungsmöglichkeiten refe­rier­te Claudia Brendt, Direktorin der NRW.Bank, die seit 2006 unter ande­rem auch für die Betreuung der KSK zustän­dig ist. „Beachten Sie, dass selbst wenn Sie einen pas­sen­den Nachfolger gefun­den haben,  die Prüfung der Übernahmefinanzierung noch ein­mal ein hal­bes Jahr dau­ern kann“, so Brendt. In Sachen Unternehmensnachfolge sei­en im Prinzip nur drei Förderprogramme von Interesse. Der Gründungskredit der NRW.Bank, das Angebot der Bürgschaftsbank NRW, die Sicherheitensituation zu stär­ken, und das „ERP-Kapital für Gründung“. „Es macht Sinn, die­se Förderungen mit­ein­an­der zu kom­bi­nie­ren, was die Besicherungsklasse ver­bes­sern hel­fen kann“, so Brendt. Mit ande­ren Worten: Wer bei­spiels­wei­se den Gründungskredit der NRW.Bank mit dem Angebot der Bürgschaftsbank kom­bi­niert, zahlt unterm Strich weni­ger Kreditzinsen.

Wer von den Teilnehmern des Forums bis zu die­sem Zeitpunkt noch immer nicht von der Notwendigkeit über­zeugt war, sich recht­zei­tig und mit kom­pe­ten­ter Hilfe um die Unternehmensnachfolge zu küm­mern, den mach­te Rechtsanwalt Frank Dickmann von der dhpg mit Sitz in Euskirchen noch ein­mal  nach­denk­lich, indem er einen Parforceritt durch das deut­sche Erbrecht unter­nahm. Anschaulich und auch humor­voll stell­te er dar, zu wel­chen Katastrophen unge­re­gel­te Erbfälle regel­mä­ßig führ­ten, wenn kein Testament, son­dern ein­fach nur das deut­sche Erbgesetz greift. Eine Erbengemeinschaft sei für ein Einzelunternehmen bei­spiels­wei­se die denk­bar schlech­tes­te Alternative, da sich alle Erben immer einig sein müss­ten, um eine Entscheidung zu tref­fen, und jeder jeder­zeit die Auflösung des Unternehmens bean­tra­gen könne.

Das deutsche Erbrecht hat viele Fallstricke, wie Rechtsanwalt Frank Dickmann von der dhpg zu berichten wusste. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa
Das deut­sche Erbrecht hat vie­le Fallstricke, wie Rechtsanwalt Frank Dickmann von der dhpg zu berich­ten wuss­te. Bild: Michael Thalken/Eifeler Presse Agentur/epa

„Vielen Unternehmern ist auch nicht klar, dass Gesellschaftsrecht Erbrecht bricht. Wenn im Gesellschaftervertrag also fest­ge­legt ist, dass kei­ne Ehegatten in die Gesellschafterstellung kom­men dür­fen, dann kom­men die da auch nicht rein“, so Dickmann. Auch sei noch nicht jedem bekannt, dass ein Testament, soll es wirk­sam sein, von vorn bis hin­ten hand­schrift­lich geschrie­ben sein müs­se. „Unterschriebene Computerausdrucke, WhatsApp-Testamente oder der Letzte Wille per Video sind ungül­tig“, so Dickmann.

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